Begrenzung des Überschussanteils des Kindes aus erzieherischen und aus konkreten Bedarfsgründen
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Das Obergericht des Kantons Zürich hält im kommentierten Entscheid eine Begrenzung des Überschussanteils des Kindes aufgrund der konkreten Bedürfnisse für angezeigt. Es legt deshalb unter Berücksichtigung verschiedener Umstände einen pauschalen Überschussanteil für das Kind fest. Aufgrund der obergerichtlichen Vorgehensweise bleibt jedoch die Frage, nach welchen Kriterien der Überschussanteil eines Kindes konkret begrenzt werden soll, weiterhin ungeklärt.
Das hypothetische Einkommen des hauptbetreuenden Elternteils und seine Tücken
Das hypothetische Einkommen stellt Gerichte, Rechtsvertreter und die Parteien immer wieder vor Herausforderungen. Was relativ trivial klingt, ist doch mit einigen Tücken verbunden. Der vorliegende Beitrag befasst sich mit den rechtlichen Anforderungen an die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens und den Problemen, die sich dabei mit Blick auf die Höhe, die Übergangsfrist, die Drittbetreuungskosten und die Abänderungsklage stellen.
Im Entscheid 5A_1072/2020 vom 25. August 2021 befasst sich das Bundesgericht zum einen mit der Frage, ob und inwiefern Treueprämien, Überstundenentschädigungen sowie Lehrlingslöhne für die Unterhaltsberechnung berücksichtigt werden dürfen, sowie zum anderen mit dem Anspruch von mündigen Kindern auf einen Überschussanteil – der gegebenenfalls neben einem solchen von unmündigen Kindern steht. Letzteres stösst in der Lehre fast einhellig auf Kritik.
Bar- vs. Naturalunterhalt, Berechnung und Gewichtung von Betreuungsanteilen
Das Obergericht des Kantons Zürich erwägt im kommentierten Entscheid, dass ein Betreuungsanteil nicht nur nach quantitativen, sondern auch nach qualitativen Kriterien zu bewerten ist und als Mindestumfang der alternierenden Betreuung in der Regel 20% gelten.
Gegenstandslosigkeit der Scheidungsklage zufolge Säumnis der klägerischen Partei bei gegenseitigem Scheidungswillen
Im Urteil LC210006 setzt sich das Obergericht des Kantons Zürich mit einem vorinstanzlichen Abschreibungsentscheid zufolge Gegenstandslosigkeit einer Scheidungsklage auseinander. Im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Scheidungsklage hatten die Parteien bereits seit über zwei Jahren getrennt gelebt und der Beklagte seinerseits beantragte – anlässlich der Einigungsverhandlung – die Scheidung der Ehe. Da es zu keiner Einigung kam, wurde der Klägerin eine Frist zur Klagebegründung angesetzt, welche nach 40 Tagen unbenützt abgelaufen war. Infolgedessen wurde die Scheidungsklage zufolge Gegenstandslosigkeit abgeschrieben. Gegen den Abschreibungsentscheid erhob der Beklagte Berufung. Das Obergericht bestätigt den erstinstanzlichen Entscheid.
Das Zürcher Obergericht setzt sich im Entscheid LY210010 vom 15. Juli 2021 mit der Frage auseinander, wann im Rahmen der Beurteilung eines Gesuchs um Ausrichtung eines Prozesskostenvorschusses ein Vermögensverzehr - und damit die für die Gewährung des Gesuchs nötige Mittellosigkeit - glaubhaft dargelegt wurde. Die Anforderungen sind hoch. Die Kommentierung setzt sich mit den Erwägungen des Obergerichts auseinander und würdigt diese kritisch. Die Autorin gelangt zum Schluss, dass die strenge Praxis der Gerichte zu Rechtsunsicherheit auf Seiten der Rechtssuchenden und zur Erschwerung der anwaltlichen Tätigkeit führt.
Das Bundesgericht bestätigt den Entscheid.
Abgrenzung Eheschutzverfahren / VSM Scheidungsverfahren und Novenrecht; Aufgabe der bisherigen Praxis des Zürcher Obergerichts
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In BGE 148 III 95 setzt sich das Bundesgericht erneut mit der Kompetenzabgrenzung zwischen dem Eheschutz- und dem Scheidungsgericht auseinander. Es bejaht die bis anhin umstrittene Rechtsfrage, ob das Eheschutzgericht Tatsachen, die sich erst nach Einleitung des Scheidungsverfahrens ereignet haben, bei seinem Entscheid zu berücksichtigen hat. Die neueste bundesgerichtliche Entscheidung und damit die Aufgabe der bisherigen Zürcher Praxis ist nach Dafürhalten der Autorin sehr zu begrüssen.
Praxisänderung: Umfang der Subrogation bei familienrechtlicher Unterhaltsbevorschussung und Sachlegitimation des bevorschussenden Gemeinwesens
In BGE 148 III 270 setzt sich das Bundesgericht mit der Sachlegitimation des unterhaltsbevorschussenden Gemeinwesens auseinander. Es würdigt die kritischen Lehrmeinungen zu seiner bisherigen Rechtsprechung und kehrt in seinem jüngsten Entscheid davon ab. Diese Praxisänderung ist nach Dafürhalten der Autorin sehr zu begrüssen.
Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass allein aus dem Vorhandensein von gemeinsamen Kindern nicht (mehr) auf eine Lebensprägung der Ehe geschlossen werden könne.
Keine Willkür bei rückwirkender Anrechnung eines hypothetischen Einkommens
Das Bundesgericht verneint das Vorliegen von Willkür, wenn die Vorinstanz der unterhaltsberechtigten Ehegattin bereits ab einem vor dem Berufungsentscheid liegenden Zeitpunkt – mithin rückwirkend – ein hypothetisches Einkommen anrechnet. Sodann seien die durch den Wegfall des Kindesunterhalts frei werdenden Mittel im Gegensatz zu einer nachgewiesenen Sparquote im Rahmen der zweistufigen Unterhaltsberechnungsmethode nicht zu Gunsten des unterhaltsverpflichteten Ehegatten von einer Verteilung auszuklammern.