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Revision des Erbrechts

Revision des Erbrechts

Gesetzgebung
Ehescheidung
Güterrecht

Revision des Erbrechts

Was sich für Eheleute und PartnerInnen ändert

Die Neuerungen im Erbrecht, die das Familienrecht betreffen und am 1. Januar 2023 in Kraft treten werden, in der Reihenfolge der revidierten Gesetzesbestimmungen mit den dazugehörigen, wörtlichen Auszüge aus der Botschaft des Bundesrats vom 29. August 2018 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Erbrecht] BBl 2018 5813; 5837 ff., 5877 ff. Änderungen zum bestehenden Gesetzestext kursiv

 

Art. 120 Abs. 3 und 3 ZGB (Erbrechtliche Folgen der Scheidung)

2 Geschiedene Ehegatten haben zueinander kein gesetzliches Erbrecht.

3 Unter Vorbehalt einer abweichenden Anordnung können Ehegatten keine Ansprüche aus Verfügungen von Todes wegen erheben:

  1. nach der Scheidung;
  2. nach dem Tod eines Ehegatten während eines Scheidungsverfahrens, das den Verlust des Pflichtteilsanspruchs des überlebenden Ehegatten bewirkt.

Der neue Absatz 3 Ziffer 1 entspricht dem geltenden Recht, wonach die Ansprüche aus Verfügungen von Todes wegen mit dem Eintritt der formellen Rechtskraft des Scheidungsurteils hinfällig werden, sofern keine anderweitige Anordnung in einer letztwilligen Verfügung oder einem Erbvertrag getroffen wurde. Der neue Absatz 3 Ziffer 2 regelt ausserdem die Wirkungen des Todes der Ehegattin oder des Ehegatten während eines Scheidungsverfahrens. Der Tod der Ehefrau oder des Ehemannes während des Scheidungsverfahrens lässt dieses gegenstandslos werden. Weder die überlebende Ehegattin oder der überlebende Ehegatte noch die Erben der verstorbenen Person können das Verfahren weiterführen. Durch dessen Einleitung bringen die Eheleute beziehungsweise die Ehegattin oder der Ehegatte zum Ausdruck, dass sie ihre Ehe endgültig beenden wollen. Der Gesetzgeber hat bereits entschieden, die güterrechtliche Auseinandersetzung (Art. 204 Abs. 2 ZGB) und den Vorsorgeausgleich (Art. 122 ZGB) auf den Tag zurückzubeziehen, an dem das Scheidungsbegehren eingereicht wurde. Der Bundesrat schlägt vor, in Bezug auf die Pflichtteile (Ziff. 3.3.3 und Art. 472 E-ZGB) und auf die Ansprüche aus Verfügungen von Todes wegen in gleicher Weise vorzugehen. Stirbt eine verheiratete Person während des Scheidungsverfahrens, so kann die überlebende Ehegattin oder der überlebende Ehegatte unter Vorbehalt einer abweichenden Anordnung in einer Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) folglich keine Ansprüche aus Verfügungen von Todes wegen zu ihren oder seinen Gunsten geltend machen, wenn das Scheidungsverfahren nach Artikel 472 E-ZGB den Verlust des Pflichtteilsanspruchs zur Folge hat. Stirbt die Ehefrau oder der Ehegatte hingegen während eines Scheidungsverfahrens, das die Voraussetzungen nach Artikel 472 E-ZGB nicht erfüllt, so behalten die Verfügungen von Todes wegen zugunsten der überlebenden Person ihre Gültigkeit (BBl 2018 S. 5878)

 

Art. 216 Abs. 2 (neu) und 3 ZGB (Ehevertrag und Pflichtteil der Nachkommen unter dem Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung)

2  Die über die Hälfte hinaus zugewiesene Beteiligung am Vorschlag wird bei der Berechnung der Pflichtteile des überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Partners, der gemeinsamen Kinder und deren Nachkommen nicht hinzugerechnet.

3  Eine solche Vereinbarung darf die Pflichtteilsansprüche der nichtgemeinsamen Kinder und deren Nachkommen nicht beeinträchtigen

Abs. 2: Gemäss Absatz 1 dieser Bestimmung können die Eheleute im Rahmen eines Ehevertrages vereinbaren, sich in Abweichung von Artikel 215 ZGB gegenseitig mehr als die Hälfte bis hin zum gesamten Vorschlag zuzuweisen. Dies hat zur Folge, dass nur der Wert des Eigenguts der verstorbenen Person zum Nachlass zählt. Damit die gemeinsamen Nachkommen, deren Pflichtteil durch die vorliegende Revision verkleinert wird (Art. 471 E-ZGB), nicht zu stark benachteiligt werden, wird im neuen Absatz 2 vorgeschlagen, die Vereinbarung, mit welcher eine überhälftige Vorschlagszuteilung vorgenommen wird, bei der Berechnung der Pflichtteile in die Pflichtteilsberechnungsmasse einzubeziehen, «soweit sie den überlebenden Ehegatten begünstigen», was schon bisher von einem gewichtigen Teil der Lehre gefordert wurde, aber nach wie vor umstritten ist. Der Masse hinzugerechnet wird folglich ausschliesslich der Teil des Vorschlags, der zusätzlich zugewiesen wird, der also die nach Artikel 215 ZGB gesetzlich vorgesehene Hälfte des Vorschlags übersteigt. Dies gilt sowohl unter dem Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung als auch bei einer Gütergemeinschaft: Da die Frage der Hinzurechnung nunmehr in Artikel 216 E-ZGB geregelt wird, muss Artikel 241 ZGB diesbezüglich nicht geändert werden. Diese Regelung gilt auch für eingetragene Partnerinnen und Partner, die den Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung gewählt haben (Art. 25 Abs. 1 PartG). Die vorgeschlagene Lösung weist zwei Vorteile auf: Die Pflichtteilsberechnungsmasse wird höher ausfallen und die Pflichtteile aller Pflichtteilsberechtigten (gemeinsame und nichtgemeinsame Nachkommen, überlebende Ehefrau oder eingetragene Partnerin bzw. überlebender Ehemann oder eingetragener Partner) werden auf der Grundlage der gleichen Berechnung festgelegt.

Abs. 3: Die Vereinbarung einer überhälftigen Vorschlagszuweisung durch Ehe- oder Vermögensvertrag bildet eine Zuwendung unter Lebenden, was zur Beendigung eines Lehrstreits festgehalten wird (siehe Ziff. 3.5.2). Als solche wird sie nach den Verfügungen von Todes wegen herabgesetzt (Art. 532 Abs. 1 E-ZGB). Wie nach geltendem Recht können nur die nichtgemeinsamen Kinder und deren Nachkommen die Herabsetzung verlangen, soweit ihr Pflichtteil im Erbgang verletzt wird.

Für Berechnungsbeispiele zu Artikel 216 E-ZGB siehe Ziff. 3.5.4. (auf S. 5848) (BBl 2018 S. 5878 f.)

 

Art. 217 Abs. 2 ZGB (neu) (Ehevertrag und Tod während eines Scheidungsverfahrens unter dem Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung)

2   Dies gilt auch bei Auflösung des Güterstands durch Tod, wenn ein Scheidungsverfahren hängig ist, das den Verlust des Pflichtteilsanspruchs des überlebenden Ehegatten bewirkt.

Künftig soll diese Regel auch zur Anwendung kommen, wenn der Güterstand als Folge des Todes der Ehefrau oder des Ehemannes während eines Scheidungsverfahrens aufgelöst wird, sofern es sich um ein Scheidungsverfahren handelt, das nach Artikel 472 E-ZGB den Verlust des Pflichtteilsanspruchs des überlebenden Ehemannes beziehungsweise der überlebenden Ehefrau zur Folge hat und soweit sich in einem Ehevertrag keine abweichende Anordnung findet (vgl. Ziff. 3.3.3). (BBl 2018 S. 5879)

 

Art. 241 Abs. 4 ZGB (neu) (Ehevertrag und Tod während eines Scheidungsverfahrens unter dem Güterstand der Gütergemeinschaft)

4    Unter Vorbehalt einer abweichenden Anordnung im Ehevertrag gelten die Vereinbarungen über eine andere Teilung im Todesfall nicht, wenn ein Scheidungsverfahren hängig ist, das den Verlust des Pflichtteilsanspruchs des überlebenden Ehegatten bewirkt.

Bei Scheidung, Trennung, Ungültigerklärung der Ehe oder Eintritt der gesetzlichen oder gerichtlichen Gütertrennung (unter dem Güterstand der Gütergemeinschaft) gelten ehevertragliche Vereinbarungen über die Änderung der gesetzlichen Teilung nach geltendem Recht nur, wenn der Ehevertrag dies ausdrücklich vorsieht (Art. 242 Abs. 3 ZGB). In Zukunft soll dies – unter Vorbehalt einer abweichenden Anordnung in einem Ehevertrag – auch gelten, wenn der Güterstand als Folge des Todes der Ehefrau oder des Ehemannes während eines Scheidungsverfahrens aufgelöst wird, das nach Artikel 472 E-ZGB den Verlust des Pflichtteilsanspruchs des überlebenden Ehemannes beziehungsweise der überlebenden Ehefrau zur Folge hat (vgl. Ziff. 3.3.3). (BBl 2018 S. 5880)

 

Art. 472 ZGB (neu) (Verlust des Pflichtteilsanspruchs)

1    Ist beim Tod des Erblassers ein Scheidungsverfahren hängig, so verliert der überlebende Ehegatte seinen Pflichtteilsanspruch, wenn:

  1. das Verfahren auf gemeinsames Begehren eingeleitet oder nach den Vorschriften über die Scheidung auf gemeinsames Begehren fortgesetzt wurde; oder
  2. die Ehegatten mindestens zwei Jahre getrennt gelebt haben.

2    In einem solchen Fall gelten die Pflichtteile, wie wenn der Erblasser nicht verheiratet wäre.

3    Die Absätze 1 und 2 gelten bei Verfahren zur Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft sinngemäss.

Randtitel: Artikel 472 E-ZGB bestimmt, in welchen Fällen die überlebende Ehefrau oder eingetragene Partnerin beziehungsweise der überlebende Ehemann oder eingetragene Partner aufgrund eines hängigen Scheidungs- oder Auflösungsverfahrens ihren oder seinen Pflichtteil nach Artikel 471 ZGB nicht mehr beanspruchen kann. Infolge dieser Regelung fällt die verfügbare Quote höher aus und kann die Erblasserin oder der Erblasser einen grösseren Teil anderen Personen zuwenden (vgl. Ziff. 3.3).

Abs. 1: Stirbt die Erblasserin oder der Erblasser während eines Scheidungsverfahrens, das die Voraussetzungen von Ziffer 1 oder 2 erfüllt, so ist der überlebende Ehemann beziehungsweise die überlebende Ehefrau nicht pflichtteilsberechtigt. Er oder sie hat jedoch nach wie vor einen gesetzlichen Erbanspruch. Um der betreffenden Person die Erbenstellung ganz zu entziehen, muss die Erblasserin oder der Erblasser somit eine Verfügung von Todes wegen treffen. Liegt keine solche Verfügung vor, behält die überlebende Person ihr gesetzliches Erbrecht (Art. 462 ZGB). Die überlebende Ehefrau oder der überlebende Ehemann verliert ihren beziehungsweise seinen Pflichtteilsanspruch, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist: Ziff. 1: Das Scheidungsverfahren wurde auf gemeinsames Begehren eingeleitet (Art. 111–112 ZGB). Durch die Einreichung des gemeinsamen Scheidungsbegehrens bringen die Eheleute zum Ausdruck, dass sie beide der Scheidung im Grundsatz zustimmen, das heisst ihre Ehe beenden wollen. Entsprechend erscheint es gerechtfertigt, dass der Pflichtteilsanspruch mit der Einreichung des Scheidungsbegehrens entfällt. Ziff. 2: Das Scheidungsverfahren wurde auf Klage hin eingeleitet (Art. 114 oder 115 ZGB), in der Folge jedoch in eine Scheidung auf gemeinsames Begehren umgewandelt, weil beide Parteien mit der Scheidung einverstanden sind (nach Art. 292 Abs. 1 Bst. b der Zivilprozessordnung181, ZPO). In diesem Fall verlieren beide Eheleute den Pflichtteilsanspruch, sobald sie der Scheidung im Grundsatz zugestimmt haben. Schliesslich verliert die überlebende Ehefrau oder der überlebende Ehemann ihre beziehungsweise seinen Pflichtteilsanspruch, wenn das Scheidungsverfahren auf Klage hin eingeleitet wurde und die Eheleute beim Tod der Erblasserin oder des Erblassers mindestens zwei Jahre getrennt gelebt haben. Der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Scheidungsklage ist dabei nicht massgebend; es spielt folglich keine Rolle, ob die Voraussetzung des zweijährigen Getrenntlebens bei der Einleitung des Verfahrens bereits erfüllt war oder nicht. Ausschlaggebend ist, ob die Eheleute zum Todeszeitpunkt seit mindestens zwei Jahren getrennt gelebt haben. Die Frist von zwei Jahren ist an die Frist von Artikel 114 Absatz 1 ZGB angelehnt. Für den Fall, dass das Scheidungsverfahren auf Klage und gestützt auf Artikel 115 ZGB eingeleitet wurde, weil geltend gemacht wird, die Fortsetzung der Ehe sei nicht mehr zumutbar, ist daran zu erinnern, dass in derartigen Fällen auch eine Enterbung (Art. 477 ZGB) in Betracht kommen könnte. Sind die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt, kann die Erblasserin ihren Ehemann beziehungsweise der Erblasser seine Ehefrau enterben, ohne den Ablauf der zweijährigen Frist abwarten zu müssen. Abs. 2: Bei Verfahren zur Auflösung der eingetragenen Partnerschaft gilt sinngemäss die gleiche Regelung. (BBl 2018 S. 5880 f.)

iusNet FamR 27.08.2021